06.01.2009
Forumtheater für Bürgerbeteiligung und interkulturellen Dialog
Preisträger im Wettbewerb "Aktiv für Demokratie und Toleranz 2007"
von Michaela Teigelmeister (Diakonisches Werk des Evangelischen Kirchenkreises An Sieg und Rhein) und Friderike Wilckens - von Hein (Forumtheater „ inszene")Die Erkenntnis und Feststellung, dass viele zentrale Anliegen und Bedürfnisse von Menschen mit Zuwanderungsvergangenheit nicht bekannt sind oder aber kein Gehör finden, selbst wenn sie geäußert werden, war der Ausgangspunkt unseres Projektes. In dem Projekt „Forumtheater für Bürgerbeteiligung und interkulturellen Dialog" werden von uns Dialogprozesse initiiert und begleitet. Dabei knüpfen wir an den konkreten Erfahrungen von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte vor Ort an. Die Methode „Forumtheater" bietet hierfür einen geeigneten Raum. So haben wir mit unserer Zusammenarbeit begonnen.
Wir hatten bereits in jahrelanger Graswurzelarbeit mit der multikulturellen Forumtheatergruppe „Kannadi" die Anliegen von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte auf die Bühne gebracht. In den oftmals hitzigen und engagierten Beiträgen der Zuschauer wurde deutlich, wie wichtig dieses Thema ist. Dennoch wurden unsere Veranstaltungen von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Mit „inszene" wollte Friderike Wilckens - von Hein diesen Themen mehr Platz geben und eine größere Öffentlichkeit erreichen.
Das Projekt „Forumtheater für Bürgerbeteiligung und interkulturellen Dialog" wurde erstmals im Jahr 2006 in Troisdorf durchgeführt. Das hieraus entstandene Stück „Willkommen in Kaleidoskopien" wird seit dem auch in anderen Orten des Rhein-Sieg-Kreises als Mittel zum Dialog genutzt. Aus diesem, zunächst für Erwachsene gedachten Stück, ist ein weiteres Projekt für Jugendliche hervorgegangen. Das Jugendstück „Was tun?" wird mittlerweile in Kooperation mit Schulen und Partnern aus der offenen Jugendarbeit durchgeführt. Generationsübergreifend wurde über ein Jahr im „Generationenprojekt Eitorf - Ein Projekt für Integration" gearbeitet. Dieses Projekt richtete sich an Eltern und Jugendliche gleichermaßen. Das hieraus entstandene Stück „Nachbarn" kommt auch in anderen Orten des Rhein-Sieg-Kreises zum Einsatz.
Mit dem Projekt „Forumtheater für Bürgerbeteiligung und interkulturellen Dialog"
wollen wir Bürgerinnen und Bürger mit Zuwanderungsgeschichte anregen und ihnen ermöglichen, sich an der Verbesserung ihrer Lebensumgebung aktiv und initiativ zu beteiligen. Zudem stellen wir eine Verbindung zwischen Benachteiligten an der Basis und öffentlichen Entscheidungsträgern her. Netzwerke zur Unterstützung eines Ideenpools für lokale Lösungen werden gebildet und Verständnis und Toleranz für fremde Werte, Sicht- und Lebensweisen werden gefördert. Zudem wird ein Bewusstsein über rechtliche und politische Handlungsmöglichkeiten geschaffen, welches zur demokratischen Teilhabe am Gemeinwesen führen soll. In einer ersten Recherchephase werden dazu in Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern von Migrantenselbstorganisationen Themen und Problemfelder ermittelt, die sich im Alltag als besonders schwierig gestalten. In dieser Phase kommt es zu einer ersten Netzwerkbildung. Die Lokalpolitik wird bereits zu diesem frühen Zeitpunkt über das geplante Projekt vor Ort informiert. Somit ist gewährleistet, dass der Prozess transparent wird und Politik und Verwaltung ein Interesse am Projekt und den Ergebnissen entwickeln können. Aus den Erfahrungen, die in der Recherchephase gewonnenen wurden, entwickelt das Forumtheater „inszene" ein Forumtheaterstück.
Forumtheater ist eine emanzipatorische Theaterform und wird weltweit als Methode der Bewusstseinsbildung und der Friedensförderung eingesetzt. In Deutschland findet das „Forumtheater" seit 2001 im Rahmen von Anti-Rassismusarbeit und der Förderung von Zivilcourage verstärkte Beachtung. In mehreren Szenen werden Situationen präsentiert, in denen signifikante Probleme des Zusammenlebens brennpunktartig aufscheinen. Die Szene endet jeweils zunächst mit dem Scheitern einer Person, die versucht, ihre Interessen zu vertreten. Im Anschluss an die erste Präsentation der Szenen folgt die Forumphase: Das Publikum wird aufgefordert, selbst Lösungs- und Handlungsvorschläge für den jeweils dargestellten Konflikt auf der Bühne zu suchen. Dabei agieren die Schauspieler weiterhin als Gegenspieler. Sie fordern die Zuschauer heraus, sich dem Konflikt zu stellen, nicht aufzugeben, sondern nach immer weiteren Handlungsalternativen zu suchen.
Durch unsere Arbeit leisten wir Hilfe vor Ort und verschaffen Benachteiligten Gehör. So wurde nach dem Projekt in Troisdorf das Gespräch mit den Ratsfraktionen der Stadt gesucht. Muslimische Frauen hatten in den Gesprächen ihren Bedarf an Sport- und Schwimmmöglichkeiten ausschließlich für Frauen zum Ausdruck gebracht. Ein neuer Dialog begann, Vorurteile wurden angesprochen und Meinungen ausgetauscht. Der direkte Kontakt der Bürgerinnen zur Politik fördert die Wahrnehmung von Selbstwirksamkeit und sensibilisiert die Politik für Themen der Bürgerinnen und Bürger. Das Jugendstück „Was tun?" regt die Jugendlichen unter anderem an, Schwierigkeiten bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz zu bewältigen. Vor dem jeweiligen Theater-Forum wird Kontakt mit lokalen Initiativen wie „Paten für Ausbildung" aufgenommen, mit deren Akteuren die Jugendlichen direkt in Kontakt treten können. Zeigt sich, dass in der jeweiligen Gemeinde/Stadt noch keine entsprechenden Initiativen bestehen, können die Jugendlichen bei Bedarf einen entsprechenden Vorschlag formulieren, der von der Diakonie An Sieg und Rhein weitergeleitet wird.
Ohne Partner hätten wir unser Projekt nicht umsetzten können. Wir danken daher an dieser Stelle allen, die uns bis heute unterstützt und sich vor Ort engagiert eingemischt haben.
