04.12.2008
Die „Zeitabschnitte des Werner Bab“
Preisträger im Wettbewerb "Aktiv für Demokratie und Toleranz 2005"
Von Christian Ender (imdialog!e.V.)Im Februar 2006 erreichte mich auf einer längeren Reise durch Südamerika folgende E-Mail meines Vaters: "Christian, Du hast einen Preis gewonnen, der sogar mit 3000€ dotiert ist. Gratuliere!"
Nicht nur ich war völlig überrascht über eine Förderung unseres Projektes. Auch Werner Bab, mit welchem ich sowie einige andere Unterstützer wenige Monate zuvor den gemeinnützigen Verein imdialog!e.V. gegründet hatten. Was war unser Anliegen?
Während meiner Studienzeit arbeitete ich im Jüdischen Museum Berlin. Meine dortige Kollegin Heidruth Bab vermittelte mir den Kontakt zu ihrem Mann, der die Konzentrationslager Auschwitz, Mauthausen und Ebensee mit viel Glück überleben konnte. Fast 60 Jahre hatte Werner Bab nicht über seine Vergangenheit gesprochen. Selbst in seinem engsten Bekanntenkreis kannten viele nicht seine bewegende Lebensgeschichte.
Schon kurze Zeit später konnte das von mir erhoffte Gespräch stattfinden. Geduldig und bewegt begann mir Werner Bab aus seinem Leben zu erzählen: von der gescheiterten Flucht als deutscher Jude an die Schweizer Grenze, die folgende Deportation und Gefängnisaufenthalte bis schließlich der Ankunft im KZ Auschwitz. Sein glückliches Überleben, insbesondere durch den ihm wegen der versuchten Staatsflucht zugestellten „Schutzhaftbefehl". Dann der Wechsel vom nicht auf Dauer zu überlebenden Zwangsarbeiter-Kommando „Bauhof" zum vorerst rettenden „Kommando Hundepfleger" der SS-Offiziere. Weitere Zwangsarbeiten bei den Kommandanten Höß und Baer und als Läufer am Eingangstor des Lagers mit der zynischen Überschrift „Arbeit-macht-frei". Weiter die Evakuierung des Lagers und der Todesmarsch nach Pless. Die glückliche Befreiung am 6. Mai 1945 im KZ Ebensee nach dem Überleben des KZs Mauthausen. Schließlich Schilderungen seines Lebens in Amerika ab 1945 bis zur Rückkehr nach Deutschland 1958. Die Wiederkehr nach Deutschland weil er, wie sein Vater, der aus Angst vor der drohenden Deportation Weihnachten 1942 in Berlin Selbstmord begangen hatte, sich „treu deutsch" gefühlt hat.
Es sind Einblicke in ein Leben und in eine Zeit, die mir kein Geschichtsbuch jemals hat geben können. Dann Werner Babs Schlüsselsatz, der unser gemeinsames ehrenamtliches Engagement für Toleranz, Demokratie und Völkerverständigung seit fast fünf Jahren initiierte: „Ich möchte nicht, dass so was wieder passiert. Gerne würde ich mit Schulklassen diskutieren, um vor den Folgen des Rechtsradikalismus zu warnen."
Ich überlegte mir, wie dieser Gedanke in die Praxis umgesetzt werden könnte. Damit Werner Bab nicht jedes Mal von Neuem seine Lebensgeschichte en detail erzählen müsste, plante ich einen Dokumentarfilm für den Schulunterricht zu erstellen. Dieser sollte den Schülern den Einstieg in ein Zeitzeugengespräch mit Werner Bab erleichtern. Für eine Vertiefung konzipierte ich sieben Kurzfilm für eine Vorbereitung durch das Lehrpersonal. Um Nachhaltigkeit zu erreichen, sollte jeder Schüler unentgeltlich eine DVD erhalten. Zusätzlich sollte die DVD in verschiedenen Sprachen untertitelt werden, um auch die Eltern der Schüler, gerade auch solche mit Migrationshintergrund, an dieser Erinnerungs- und Aufklärungsarbeit teilhaben zu lassen.
Das Ergebnis: mittlerweile konnte die von Werner Bab und meiner Person gemeinsam und völlig privat finanzierten DVD Produktion „Zeitabschnitte des Werner Bab", die in 19 Sprachen untertitelt vorliegt, bereits in über 12000 Kopien in mehr als 100 Gesprächen an hochinteressierte und beeindruckte Schüler sowie Bürger verteilt werden. In den Gesprächen hebt Werner Bab unter anderem die Bedeutung der Zivilcourage eines jeden einzelnen hervor, die Wichtigkeit der Nutzung des Wahlrechts, welche einem eine Demokratie erst eröffnet und warnt vor den Gefahren, die von rechtsradikalen Parteien ausgehen.
Unsere Dialoge im Anschluss an eine Filmvorführung von „Zeitabschnitte" beschränkten sich schon zu dieser Zeit nicht allein nur das Bundesgebiet: Im Januar 2005 folgten wir einer Einladung des Tolerance Centers nach New York. Es schlossen sich Einladungen nach Chile, Argentinien, Brasilien, Uruguay, Polen und Israel an. Hier lag das Augenmerk der vor allem jüdischen Exilanten, welche vor 1938 Nazi-Deutschland noch ins rettende Exil verlassen konnten, an meiner Arbeit und der Frage, wie die Situation heute in Deutschland ist.
Wie groß auch die Überraschung und Freude über die Prämierung unseres Projektes war, so müssen an dieser Stelle die katastrophalen Bedingungen der Finanzierung Erwähnung finden. Besonders für auf Dauer angelegte Projekte scheint es beinahe unmöglich zu sein, kontinuierliche Förderer zu finden. Dies sind leider unsere Erfahrungen der letzten fünf Jahre. Daher möchten wir uns umso mehr bei all denen bedanken, die uns in unserem Bemühen für ein Mehr an Toleranz, Demokratie und Völkerverständigung unterstützen, ob in Form von einer ehrenamtlichen Unterstützung oder in Form einer einmaligen finanziellen Förderung aus dem Bereich privater Unternehmen.
Wir sind stets auf der Suche nach neuen Kooperationspartnern und Förderern, die helfen, unser Projekt auch weiterhin erfolgreich durchzuführen. Wenn Sie an einer Zusammenarbeit oder einem Zeitzeugengespräch in Ihrer Einrichtung interessiert sind, können Sie gern Kontakt zu unserem Verein aufnehmen unter


