15.09.2008

Das Bürgerforum Gräfenberg – „Gräfenberg ist bunt“

Preisträger im Wettbewerb "Aktiv für Demokratie und Toleranz 2007"

Foto: Bürgerforum GräfenbergFoto: Bürgerforum Gräfenberg
Foto: Bürgerforum Gräfenberg
von Marius Köstner
(Bürgerforum Gräfenberg)

Das Bürgerforum Gräfenberg - „Gräfenberg ist bunt" hat sich zum Jahreswechsel 2006/07 gegründet. Es konstituierte sich aus dem Bedürfnis vieler Bewohner, den rechtsextremen Aufmärschen entgegen zu treten und für die Werte unserer Gesellschaft,insbesondere fürToleranz und Demokratie, einzustehen. Zu Beginn organisierten wir primär die Gegendemonstrationen, die ab Dezember 2006 nötig wurden um die monatlichen Aufmärsche rechtsextremer Gruppen, wie der NPD, ihrer Jugendorganisation JN und den so genannten, von Kameradschaften dominierten „Freien Kräften", nicht unkommentiert zuzulassen. Mittlerweile hat sich unser Aktionsspektrum aber deutlich ausgeweitet und unsere Arbeit findet regional, überregional und bundesweit, und sogar international Beachtung. Auf Grund unserer kreativen Aktionen und dem breiten Spektrum an ehrenamtlichen Mitarbeitern und Kooperationspartnern konnten wir in diesem Jahr den Würzburger Friedenspreis und eine Auszeichnung im Wettbewerb „Aktiv für Demokratie und Toleranz 2007" des Bündnisses für Demokratie und Toleranz - gegen Extremismus und Gewalt in Empfang nehmen. Im Folgenden möchten wir sie über die Hintergründe unserer ehrenamtlichen Arbeit, als auch über unsere Weiterentwicklung und die aktuelle Situation informieren.

Seit 1999 gab es in unserer kleinen Stadt am Rande der Fränkischen Schweiz im Landkreis Forchheim alljährliche rechtsextreme Aufmärsche. Im Zentrum dieser Aufmärsche steht seitdem ein revisionistisches und geschichtsverfälschendes Heldengedenken am örtlichen Kriegerdenkmal. Seit Ende 2006 finden diese Aufmärsche monatlich statt; am 29.08.2008 musste Gräfenberg den 25. Aufmarsch innerhalb von 21 Monaten über sich ergehen lassen. In perfider Art und Weise, unter Verwendung rechtsextremer Parolen und eines an den Nationalsozialismus erinnernden Habitus ziehen zwischen 50 und 250 Rechtsextremisten mit Fackeln, Fahnen und Landsknechttrommeln durch die beschauliche Gräfenberger Altstadt.
Zusätzlich zu den martialischen Aufmärschen weiteten die Rechtsextremisten ihre Aktionen, ganz im Sinne der bekannten Strategie, weiter aus. Hierbei stehen vor allem ländlich geprägte Regionen im Fokus der Bemühungen, um dort Präsenz zu zeigen und offensiv an die Jugend heranzutreten. Bereits zu Beginn des Jahres 2007 wurde die fränkische Version der Propaganda-CD der NPD an den örtlichen Haupt- und Realschule verteilt, das Haus des aktiven Bürgermeisters und das eines im Bürgerforum engagierten Bewohners wurden mit Farbbeuteln beschmissen, sodass ein erheblicher Sachschaden entstand. Positive Beachtung fand diese Sachbeschädigung auf regionalen rechtsextremen Internetseiten, die eine Verbindung sehr nahe legen. In einer Nachbargemeinde wurde ein Grundstück angemietet, auf dem die Rechtsextremisten sich nach den Aufmärschen oftmals treffen, oder Musikveranstaltungen abhalten. Im Juni 2008 wurde im Nachbarort Weißenohe der so genannte „Nationale Frankentag 2008" durch die NPD/JN, den Bund Frankenland und „Freie Kräfte" organisiert. Das angemietet Areal eines alten Klosters stand in Verdacht, mit Hilfe von Jürgen Rieger, von Rechtsextremisten gekauft zu werden. Besonders markant ist bei der Wahl des Geländes, dass dieses direkt an das Privatgrundstück von aktiven Mitgliedern des Bürgerforums grenzt, die somit ein ganzes Wochenende der ständigen Bedrohung durch die Rechtsextremisten ausgesetzt waren.

Vor diesem Hintergrund etablierte sich unsere Initiative, das Bürgerforum Gräfenberg - Gräfenberg ist bunt. Wir sind ein loser Zusammenschluss aktiver Bürger, die aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsteilen kommen, die aber ein gemeinsames Ziel haben. Wir sind nicht parteigebunden und es ist Konsens, dass Parteipolitik bei uns keine Rolle spielen soll. Das Bürgerforum hat keinen festen Mitgliederstamm und keine Vereinsstruktur, dadurch wird es jeder Frau und jedem Mann möglich, sich, ohne Bindung, aktiv gegen Rechtsextremismus zu engagieren. Das selbstdefinierte Aufgabenspektrum beinhaltet:

1. Eine kreative, entschiedene, friedliche Gegenwehr gegen die regelmäßigen Aufmärsche rechtsextremistischer Gruppen in Gräfenberg und in der Region verwirklichen.
2. Sich für Demokratie, Toleranz und Menschenrechte engagieren.
3. Ein Negativimage von der Stadt Gräfenberg abwenden.
4. Präventive Arbeit durch Jugendarbeit und politische Bildungsarbeit betreiben.

Auch wenn zu Beginn unserer Arbeit klassische Gegendemonstrationen im Zentrum unserer Bemühungen standen, so war uns doch von Anfang an klar, dass eine nachhaltige Bekämpfung des Rechtsextremismus auf ein weites Spektrum von Maßnahmen zugreifen muss. Trotzdem ist es uns bis heute sehr wichtig, die von uns organisierten Gegendemonstrationen kreativ zu gestalten. Hierbei nutzen wir auch eine breite Emotionsspanne: Ein würdiger und respektvoller Umgang mit den Opfern des Nationalsozialismus ist uns ebenso wichtig wie eine sarkastische Demaskierung der menschenverachtenden Ideologie der aktuellen Rechtsextremisten. Fester Bestandteil unserer Gegendemonstrationen sind die „Braunen im Weggla", eine regionale Spezialität die die Gegendemonstranten stärkt und nach der Demonstration zum Verweilen auf dem Marktplatz einlädt und somit konstruktive Gespräche befördert und ein besseres kennen lernen ermöglicht. Die Idee dahinter sind einfach die guten fränkischen Bratwürste, die auf dem Grill ihre braune Farbe bekommen. Diese werden symbolisch in ein „Weggla gepresst" (Brötchen, Semmel) oder führen zu den Slogans: „In Gräfenberg sind nur die Bratwürste braun!" oder „Bei uns landen die Braunen auf dem Grill!". Zu ähnlicher Prominenz gelangte ein kleiner Gartenzwerg, der bei den Demonstrationen den Neonazis mit Hilfe eines Schilds klarmachte, was von ihnen zu halten sei. Der Gartenzwerg mit dem griffigen Spruch „Nazis raus!" ist als Fotomotiv mittlerweile eine Art Erkennungszeichen des bürgerlichen Protestes in Gräfenberg geworden und wurde auch als T-Shirt-Motiv verwendet. Für weitere Eindrücke unserer kreativen Gegenaktionen, möchten wir Sie auf unsere Homepage verweisen.

Kontinuierlich erweitern wir unser Handlungsspektrum und so haben wir mittlerweile eine Veranstaltungsreihe initiiert, die einen nachhaltigen Demokratie- und Menschenrechtsdiskurs anstoßen soll. Hierbei fanden bereits Zeitzeugengespräche statt, der evangelische Landesbischof Dr. Friedrich hielt einen Vortrag zum christlichen Umgang mit Rechtsextremismus in Vergangenheit und Gegenwart und Migrationsforscherinnen referierten über die positiven Auswirkungen von Migration und die Bereicherung für Deutschland. Durch das Bürgerforum ist es einer Gruppe Jugendlicher möglich, sich mit dem Medium Film auseinanderzusetzen und ihre Sicht der Dinge zu dokumentieren und zu kommentieren. Mittlerweile zum zweiten Mal wurde in diesem Sommer das OPEN MIND-Festival organisiert. Ein Musikfestival für Jung und Alt, das einen positiven Gegenpol gegen die stumpfe rechtsextreme Propaganda setzen soll und eindrucksvoll aufzeigt, wie schön und ausgelassen man ohne Neonazis feiern kann. Gleichzeitig soll jungen Leuten auch vermittelt werden, dass Musik eine Möglichkeit zum Ausdruck der eigenen Gedanken und Gefühle bietet und auch für sie offen steht.

Eine wichtige Rolle in unserer erfolgreichen Arbeit spielen die Kooperationen mit anderen Akteuren. Die gegenseitige Unterstützung und der fruchtbare Austausch mit regionalen Gruppen bringen immer wieder neue Ideen und Möglichkeiten der Zusammenarbeit hervor. Ebenfalls wichtig ist es, die erfolgreichen Aktionen auch der Öffentlichkeit bekannt zu machen, hierbei werden wir von der regionalen Presse sehr gut unterstützt. Die regionale Presse bietet keinen Raum für Rechtsextremisten, sich mir ihren menschenverachtenden und undemokratischen Parolen zu profilieren, sondern konzentriert sich auf den demokratischen und kreativen Protest der Zivilgesellschaft. Auch die Zusammenarbeit mit dem Bündnis für Demokratie und Toleranz - gegen Extremismus und Gewalt hilft dabei, das Thema einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Wir erhoffen uns hierbei noch einen besseren Austausch mit ähnlichen Initiativen im Bundesgebiet. Für weitere Informationen und Kontaktmöglichkeiten steht unsere Homepage zur Verfügung.



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