06.06.2008

„Bergen im Nationalsozialismus“ - Ein Stadtführer für Bergen auf Rügen

Preisträger im Wettbewerb "Aktiv für Demokratie und Toleranz 2007"

Foto: Prora Zentrum e.V.Foto: Prora Zentrum e.V.
Foto: Stadtrundgang in Bergen; Prora Zentrum e.V.
von Susanna Misgajski
(PRORA-ZENTRUM e.V)

Der Verein PRORA-ZENTRUM führt historisch-politische Bildungsarbeit mit Jugendlichen und Erwachsenen in Form von Seminaren und Projekten durch. Die Kooperation mit dem Gymnasium in Bergen hat sich bereits in anderen Projekten bewährt, die sich mit Themen der regionalen NS- oder DDR-Geschichte befassten. Dem Verein ist es bei der Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit wichtig, nicht mit Betroffenheit und Schuldgefühlen zu arbeiten. Die NS-Zeit soll analytisch betrachtet und bewertet werden. Eine derartige Analyse der regionalen NS-Geschichte ermöglicht zugleich eine bessere Durchschaubarkeit der heutigen rechtsextremistischen Aktivitäten, mit denen sich die Menschen in der Bundesrepublik und auch in Mecklenburg-Vorpommern verstärkt konfrontiert sehen.

Das Projekt „Bergen im Nationalsozialismus" richtete sich an SchülerInnen der 12. Jahrgangsstufe des Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums. Es fand im Rahmen der 1 1/2 -jährigen Projektkurse für die 12./13. Jahrgänge in den Jahren 2005-2007 statt.

Die Idee zu dem Projekt war auf die Mitarbeiterin des Vereins, Susanna Misgajski, zurückzuführen. Sie hatte im Laufe ihrer historischen Forschungen festgestellt, dass es zur Kreisstadt Bergen nur sehr wenig Literatur über die Zeit des Nationalsozialismus gibt, aber durchaus Quellen und Forschungsmöglichkeiten vorhanden sind. Zusammen mit der Lehrerin des Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums, Jana Romanski, wurde der Projektkurs „Bergen im Nationalsozialismus" im Schuljahr 2005/2006 begonnen. Die Motivation der 14 SchülerInnen war von Anfang an sehr groß. Ihnen war, verglichen mit anderen Projektkursen, der sehr umfangreiche Arbeitsaufwand bekannt.

Die Themen, die bei der Erforschung der Geschichte der Stadt Bergen in der Zeit des Nationalsozialismus bearbeitet werden sollten, formulierten die ProjektteilnehmerInnen beim ersten Treffen selbständig. Lediglich die Themen „Thingstätte" und „Hans-Mallon-Denkmal" auf dem Rugard wurden ihnen zusätzlich vorgeschlagen. Obwohl sie die heutige Rugard-Bühne in dem kleinen Waldgebiet Bergens von Veranstaltungen kannten, war ihnen nicht bewusst, dass es sich hier um eine ehemalige „Thingstätte" handelt, die von den Nationalsozialisten für propagandistische Feierstunden gebaut worden war.

Folgende Themen legten die ProjektteilnehmerInnen beim ersten Treffen fest:
- Orte der Stadt Bergen im Nationalsozialismus,
- Die „Thingstätte" und das Hans-Mallon-Denkmal auf dem Rugard,
- Erziehung im Nationalsozialismus (Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium und Napola in Putbus),
- Kirchen im Nationalsozialismus in Bergen und auf Rügen,
- Zwangsarbeiter in Deutschland und insbesondere auf Rügen,
- Jüdische Familien in Deutschland, Vorpommern und auf Rügen.

In Arbeitsgruppen aufgeteilt begannen die SchülerInnen zu ihren Themen zu recherchieren. Sie suchten Bibliotheken, Archive und Museen auf und befragten Zeitzeugen. Ziel der Recherchen war es, sich in Bezug auf die Themen zunächst mit der allgemeinen Situation im gesamten NS-Staat zu beschäftigten, um dann die Situation im regionalen Raum zu analysieren.

Erarbeitet werden sollte eine Broschüre, ein Stadtführer für Bergen im Nationalsozialismus. Als Zwischenergebnis wurde eine Power-Point-Präsentation geplant. Von vornherein stand bei der Projektidee fest, dass die Arbeitsergebnisse des Projektes einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollten.

Die erste Gelegenheit für Öffentlichkeitsarbeit bot im Mai 2006 der Tag der offenen Tür am Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium. Hier kam es zu zahlreichen Gesprächen und die SchülerInnen konnten mit dem einen oder anderen Zeitzeugen Kontakt aufnehmen.

Die nächste öffentliche Veranstaltung auf Rügen war das Jugendevent „Prora06" (30.6. bis 2.7.2006). Hier stellten die ProjektteilnehmerInnen auf der Aktionsfläche „Politik und Geschichte", für die das PRORA-ZENTRUM die Intendanz hatte, die Power-Point-Präsentation mit gesprochenem Text vor. In bestimmten Zeitabschnitten standen die ProjektteilnehmerInnen interessierten Jugendlichen für Rückfragen und Gespräche zur Verfügung.

Im November 2006 präsentierten die SchülerInnen die Power-Point-Präsentation im Rahmen des Projektes „Zeitensprünge" im Schweriner Schloss. Wie bei „Prora06" hatten die SchülerInnen so die Möglichkeit, auch andere Projekte kennenzulernen, sich mit anderen Jugendlichen auszutauschen und das eigene Projektergebnis kritisch zu betrachten.

Am 1. März 2007 fand erneut eine öffentliche Veranstaltung statt. Diesmal stellten die SchülerInnen ihr Projektergebnis, die Broschüre „Bergen im Nationalsozialismus - ein Stadtführer" auf einer Abendveranstaltung im Benedixschen Haus in Bergen einer breiten Öffentlichkeit vor. Das Interesse der einheimischen Bevölkerung war sehr groß und für die ProjektteilnehmerInnen wurde es der Höhepunkt des gesamten Projektes.

Aus dem Projekt heraus hatte sich ebenfalls die Idee entwickelt, für jüdische Opfer des Nationalsozialismus in Bergen „Stolpersteine" zu setzen. Das inzwischen europaweite „Stolperstein"-Projekt ist vom Kölner Künstler Gunter Demnig entwickelt worden. Es soll die Erinnerung an die Vertreibung und Vernichtung der Juden, der Sinti und Roma und anderer Verfolgter im NS-Staat lebendig halten. In Bergen wurden im Rahmen des Projektes am 15. September 2007 zwei „Stolpersteine" von Gunter Demnig am Markt 19 für Albert und Ida Noack verlegt. Dies war zugleich die Auftaktveranstaltung für den „Tag der Demokratie und Toleranz" in Bergen, die im Rahmen der „Team Time Tour" des Bündnisses für Demokratie und Toleranz in Kooperation mit dem Deutschen Basketballbund und dem Ministerium für Soziales und Gesundheit MV stattfand.

Die Pressearbeit des PRORA-ZENTRUMs und die öffentlichen Veranstaltungen im Rahmen des Projektes haben dazu geführt, dass das Projekt „Bergen im Nationalsozialismus" in weiten Teilen der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. Nach wie vor erhält der Verein Anfragen von Urlaubern oder ehemaligen Rüganern bezüglich der Broschüre „Bergen im Nationalsozialismus - ein Stadtführer". Im Gymnasium wird die Broschüre im Unterricht eingesetzt, um die regionale Geschichte mit einzubeziehen. Auch das PRORA-ZENTRUM wird bei zukünftigen Projekten die Broschüre einsetzen.



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